Was erklärt die Globalisierung? Ein Gespräch über Deutungs- und Einordnungsmöglichkeiten der jüngsten Zeitgeschichte

U Tübingenu se 13. i 14. listopada 2017. održava znanstveni skup o globalizaciji kao istraživačkom problemu u povijesnoj znanosti (u kontekstu razvoja interesa za globalnom povijesti).

 

 

 

 

Ort: Tübingen

 

Veranstalter: Prof. Dr. Jan Eckel (Universität Tübingen), Prof. Dr. Lutz Raphael (Universität Trier), Martin Deuerlein, M. A. (Universität Tübingen)

 

 

 

Datum: 13.10.2017 – 14.10.2017

 

 

 

„Globalisierung“ ist nach wie vor eine omnipräsente Vokabel der Gegenwartsdeutung. Ob es sich um Klimawandel oder Terrorismus handelt, um Flüchtlingsströme oder die Internetkommunikation – gerade die drängendsten Fragen der Tagespolitik werden in der öffentlichen Diskussion oftmals als Ausdruck oder Folge einer immer enger zusammenwachsenden Welt begriffen.

Auch in der Geschichtsschreibung ist das Interesse an Prozessen der grenzübergreifenden Verflechtung, das sich seit gut fünfzehn Jahren beobachten lässt, ungebrochen, ja nimmt eher noch weiter zu. Schien dabei zunächst das 19. Jahrhundert im Vordergrund zu stehen, ist zuletzt vor allem die jüngste Zeitgeschichte seit den 1970er Jahren in den Fokus gerückt. Gerade in diesem Zeitraum, so sehen es nicht wenige Historikerinnen und Historiker, gewannen Globalisierungsprozesse rasant an Fahrt – infolge der Deregulierung der Finanzmärkte, des steigenden Energiebedarfs, neuer Umweltgefährdungen, der Digitalisierung oder der wachsenden Schlagkraft weltweit operierender NGOs wie Amnesty International und Greenpeace. Bisweilen ist die Globalisierung sogar zu einem Epochensignum erklärt worden, das vor allem die unmittelbare Vorgeschichte unserer Gegenwart seit 1990 geprägt habe.

Allerdings hat der Begriff der Globalisierung selbst eine Geschichte – und diese ist bislang noch kaum in den Blick der geschichtswissenschaftlichen Diskussion getreten. Wenngleich es seit dem späten 19. Jahrhundert immer wieder intensive Debatten über die Schrumpfung der Welt und die zunehmende Abhängigkeit ihrer verschiedenen Regionen untereinander gab, so bürgerte sich der Globalisierungsbegriff doch erst seit den späten 1980er Jahren ein, um sich dann in den 1990er und 2000er Jahren immens auszubreiten. Nun wurde er zum konzeptionellen Zentrum eines internationalen Diskurses, der erheblich ausgreifender war und die öffentliche Debatte wesentlich stärker prägte als frühere, strukturell ähnlich gelagerte „Welt“- oder „Interdependenz“-Diskurse. Er durchdrang Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft gleichermaßen. Dabei wurde eine große Zahl ganz disparater Felder mit der Globalisierung in Verbindung gebracht, die von der Umwelt über multinationale Unternehmen bis hin zur Massenkultur und Krankheiten reichten. Vieles spricht dafür, in dieser Denkkonjunktur auch einen wichtigen Ursprung der Global- und Globalisierungsgeschichte selbst zu erblicken, die sich gerade in jenen Jahren durchzusetzen begann.

Aus dieser intellektuellen Gemengelage ergeben sich für die historische Forschung zwei Fragerichtungen, die es sich zu verfolgen lohnt, um die Geschichte der jüngsten Vergangenheit noch eingehender zu erschließen, als es bisher geschehen ist:

Historisierung des Globalisierungsdiskurses: Zum einen scheint es an der Zeit, die Vorstellung der Globalisierung als eine zentrale Deutungsfigur der 1990er und 2000er Jahre zu begreifen und zu untersuchen – und sie somit ihrerseits als ein historisches Produkt zu verorten. Wie und warum setzte sich der Globalisierungsbegriff auf verschiedenen Feldern durch – dem wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und intellektuellen Feld? Welche Wahrnehmungen und Gegenwartsbeschreibungen verbanden sich mit ihm und was sagen diese über das Selbstverständnis und die Weltsicht der westdeutschen und anderer Gesellschaften um die Jahrtausendwende aus? Welche Positionen wurden in der zeitgenössischen Debatte kontrovers diskutiert und welche Akteure waren dabei besonders wichtig? Inwiefern wurde der Begriff politisch, ökonomisch und kulturell handlungsleitend?

Reflexion über „Globalisierung“ als analytische Kategorie für die jüngste Zeitgeschichte: Zum anderen stellt sich die Frage, was aus der Einsicht in die Historizität des Begriffes für die geschichtswissenschaftliche Analyse folgt. Taugt der Globalisierungsbegriff als Beschreibungskategorie für die jüngste Zeitgeschichte seit den 1970er Jahren? Welche Prozesse lassen sich mit seiner Hilfe fassen oder erklären? Welchen Status besitzt der Begriff – bezeichnet er ein überwölbendes Epochenmerkmal, einen zentralen Basisprozess oder eine historische Tendenz neben anderen, die sich auf verschiedenen Handlungsfeldern in unterschiedlicher Intensität manifestierte? Stellte Globalisierung eine historische Triebkraft dar oder war sie eher eine Folge vernetzenden Handelns – und in welchen Bereichen?

Der Workshop ist im Schnittfeld des Nachdenkens über Globalität und Globalisierung einerseits und der Erforschung der jüngsten Zeitgeschichte andererseits angesiedelt. Methodisch versteht er sich als offen und möchte ganz unterschiedliche Perspektiven zur Geltung bringen: politikgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche, kulturgeschichtliche und wissenschaftsgeschichtliche.

 

Programm

 

Freitag, 13.10.
15h
Jan Eckel/Lutz Raphael: Begrüßung

15.15-16.45h
Jan Eckel: Einführung: Zur Historisierung des Globalisierungsdiskurses der jüngsten Vergangenheit

Martin Deuerlein: Das Zeitalter der Interdependenz – Globalistische Gegenwartsdiagnosen vor der „Entdeckung“ der Globalisierung

Einführung in die Diskussion: Ariane Leendertz

17.15-18.45h
Olaf Bach: Zur Zeitgeschichte der Globalisierungsrede bis in die späten 1980er Jahre

Wolfgang Knöbl: After „Modernization“: Der Globalisierungsbegriff als Platzhalter und Rettungsanker der Sozialwissenschaften

Einführung in die Diskussion: Brigitta Bernet

Samstag, 14.10.
9-10.30h
Lutz Raphael: Vom Globalisierungsdiskurs zur Globalgeschichte? Politische und akademische Einflüsse auf die Geschichtswissenschaft zwischen 1985 und 2008

Andreas Wirsching: Der Nationalstaat vor der Globalisierung, oder: Wie verändert die Globalisierung die Zeitgeschichtsschreibung des Nationalen?

11-12.30h
Jakob Tanner: Die „Festung Schweiz“ im Zeichen der Globalisierung: Umbrüche und Kontinuitäten am Ende des 20. Jahrhunderts

Philipp Ther: Der Neoliberalismus als globale Ideologie und Motor der Globalisierung

Einführung in die Diskussion: Christian Marx

12.30-13h
Abschließende Diskussion

 

Kontakt

Martin Deuerlein

Universität Tübingen, Seminar für Zeitgeschichte

martin.deuerlein@uni-tuebingen.de

 

 

http://www.hsozkult.de/event/id/termine-34765

 

 

 

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