CfP: “Beyond Collaboration and Resistance: Everyday Life in Occupied Poland. New Research in the History of Everyday Life and Memory Studies”

For more than 30 years, historiography has been pursuing various approaches to examine the history of Poland beyond the national paradigm. Particularly with regard to the German occupation during World War II, a national context of experience appears doubtful against the background of highly fragmented realities of life in the occupied territories of the Second Republic. By force, Poland was subjected to a profound territorial and social reorganization, which made reference in various ways to the ethnic and religious diversity of the population. The supposed liberation of German minorities served to legitimize the war of aggression. The administrative structure of the occupied country followed imaginations of ethnic boundaries and biopolitical utopias, which determined the everyday life and chances of survival of millions of people. At the same time, the German occupiers subjected the population to a hierarchy based on racist and utilitarian criteria. In doing so, they created a regime of difference that brought different population groups into competition with one another and gave new momentum to inter-ethnic tensions from the pre-war period. Finally, the mass crimes of the Holocaust only became possible against the background of the terror of occupation.

In view of the fragmentation of experiences between the extremes of (forced) Germanization and extermination, the longevity of the national interpretative framework with regard to the behavior of historical actors under occupation is surprising. Recent research rejects normative categories such as collaboration and resistance and emphasizes the complexity of historical experiences. It also sketches “occupiers” and “occupied” as very heterogeneous groups, which in turn were connected with each other through manifold interactions in their everyday lives that were characterized by asymmetrical power relations.

The history of everyday provides a key to understanding these complex interrelationships, as it focusses social practice on a micro-historical level against the background of the large structures of the occupation. In this way, everyday life under occupation and its concrete practices come into view, individual perspectives “from below” are placed in relation to “the” history. This approach makes the survival strategies of marginalized historical actors visible and takes their experiences seriously.

In Poland and Germany, different research traditions have been established in this field, which should be more closely interchanged. We therefore invite young scholars who conduct research on everyday life in World War II to a two-day conference at the German Historical Institute in Warsaw from 23-24 April 2020. We particularly welcome theory-driven and empirically grounded contributions from ongoing projects. Proposals related to the Soviet or double occupation, extending beyond the temporal caesurae of World War II or focusing memory issues are also welcome.

Proposals for contributions of 20 min should be sent with an abstract (max. 500 words, in English, Polish or German) and a short CV by 23 February 2020 by e-mail to martin.borkowski-saruhan@uni-goettingen.de. Notifications of acceptance will be sent out no later than 28 February 2020. The deadline for submission of the completed paper is 9 April 2020.

The organisers will cover the costs for travel, accommodation and catering for all speakers. Guest are also welcome after prior registration.

 

— deutsche Version —

 

Jenseits von Kollaboration und Widerstand: Besatzungsalltag in Polen
Neue Forschung aus Alltagsgeschichte und Erinnerungsforschung

Seit über 30 Jahren verfolgt die Historiographie verschiedene Ansätze, die Geschichte Polens auch jenseits des nationalen Paradigmas zu untersuchen. Gerade im Hinblick auf die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg erscheint ein nationaler Erfahrungszusammenhang vor dem Hintergrund stark fragmentierter Lebenswirklichkeiten in den okkupierten Gebieten der Zweiten Republik zweifelhaft. Mit Gewalt wurde Polen einer tiefgreifenden territorialen und sozialen Neuordnung unterzogen, die in vielfältiger Form Bezug auf die ethnische und religiöse Diversität der Bevölkerung nahm. Die vermeintliche Befreiung deutscher Minderheiten diente der Legitimation des Angriffskrieges. Die administrative Gliederung des besetzten Landes folgte Imaginationen ethnischer Grenzziehung und biopolitischen Utopien, die den Alltag und die Überlebenschancen von Millionen Menschen bestimmten. Zugleich unterwarfen die deutschen Besatzer die Bevölkerung einer Hierarchisierung nach rassistischen und utilitaristischen Kriterien. Damit schufen sie ein Regime der Differenz, das verschiedene Bevölkerungsgruppen zueinander in Konkurrenz brachte und interethnischen Spannungen aus der Vorkriegszeit neue Dynamik verlieh. Schließlich wurden die Massenverbrechen des Holocausts erst vor dem Hintergrund des Besatzungsterrors möglich.

Angesichts der Fragmentierung der Erfahrungen zwischen den Extremen (Zwangs-) Germanisierung und Vernichtung überrascht die Langlebigkeit des nationalen Deutungsrahmens in Bezug auf Verhaltensweisen historischer Akteure unter Besatzung. Die jüngere Forschung weist normative Kategorien wie Kollaboration und Widerstand zurück und betont die Vielschichtigkeit historischer Erfahrungen. Auch entwirft sie „Besatzer” und „Besetzte” als jeweils sehr heterogene Gruppen, welche wiederum in ihrem durch asymmetrische Machtverhältnisse geprägten Alltag über vielfältige Interaktionen miteinander verbunden waren.

Einen Schlüssel zum Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge bietet die Alltagsgeschichte, denn sie richtet den Blick vor dem Hintergrund der großen Strukturen der Besatzung auf soziale Praxis im mikrohistorischen Kontext. So geraten der Besatzungsalltag und seine konkreten Praktiken in den Blick, individuelle Perspektiven „von unten” werden in Bezug zu „der” Geschichte gesetzt. Dieses Vorgehen macht auch die Überlebensstrategien marginalisierter historischer Akteure sichtbar und nimmt ihre Erfahrungen ernst.

In Polen und in Deutschland haben sich in diesem Feld unterschiedliche Forschungstraditionen etabliert, die stärker miteinander in Austausch gebracht werden sollten. Daher laden wir Nachwuchswissenschaftler/innen, die zum Alltag unter der deutschen Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg forschen, zu einer zweitägigen Konferenz vom 23.–24. April 2020 ins Deutsche Historische Institut Warschau ein. Besonderes willkommen sind theoriegeleitete und empiriegesättigte Beiträge aus laufenden Projekten, gerne auch auf die sowjetische bzw. doppelte Besatzung bezogen, über die zeitlichen Zäsuren des Kriegs hinausreichend oder aus erinnerungsgeschichtlicher Perspektive.

Vorschläge für 20-minütige Beiträge sind mit einem Abstract (max. 500 Wörter, auf Englisch, Polnisch oder Deutsch) und einem kurzen Lebenslauf bis zum 23.02.2020 per E-Mail an martin.borkowski-saruhan@uni-goettingen.de zu senden. Die Auswahlbenachrichtigungen werden spätestens am 28.02.2020 verschickt. Die Frist zur Einreichung der fertigen Papers (ggf. Rohfassung) ist der 09.04.2020.

Die Organisator/innen übernehmen die Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten für alle Vortragenden. Auch Teilnehmer/innen ohne eigenen Beitrag sind nach vorheriger Anmeldung herzlich willkommen.

 

https://www.pol-int.org/en/events/cfp-beyond-collaboration-and-resistance-everyday-life

 

 

 

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